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Das (falsche) Geschlecht soll kein Grund für eine Abtreibung mehr sein

Das (falsche) Geschlecht soll kein Grund für eine Abtreibung mehr sein

Es komme immer noch regelmässig vor, dass sich werdende Eltern schon sehr früh, gar schon vor der Empfängnis, erkundigten, ob sie nicht einen Buben haben könnten, sagt Dorothea Wunder, Gynäko­login und Reproduktionsmedizinerin in Lausanne. Es seien vor allem Paare aus anderen Kulturkreisen, die das Thema beschäftige.

In den ersten zwölf Schwangerschaftswochen kann eine Frau selber über einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Bereits ab der vollendeten 9. Schwangerschaftswoche kann sie zudem dank eines Bluttests das Geschlecht des ungeborenen Kindes erfahren. Theoretisch ist es einer Frau also möglich, eine Schwangerschaft abzubrechen, weil sie selber oder ihr familiäres und soziales Umfeld das Geschlecht des Ungeborenen nicht akzeptiert. In der Praxis komme dies auch tatsächlich vor, sagt Wunder. Wie oft aus diesem Grund in der Schweiz abgetrieben werde, könne sie nicht einschätzen, da es keine offiziellen Zahlen gebe. Doch je nach Herkunftsland sehe sie, dass Frauen unter starkem Druck stehen, einen Stammhalter zu gebären, sagt Wunder.

Keine Geschlechterselektion
In der Frühlingssession wird sich der Nationalrat des Themas annehmen. Auf dem Tisch liegt ein Gesetzesartikel, der verhindern soll, dass Abtreibungen vorgenommen werden, weil das Geschlecht nicht dem Wunsch entspricht. Vor Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche sollen Ärzte einer schwangeren Frau nicht mitteilen dürfen, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen erwartet. Ausnahmen soll es nur geben, wenn eine Krankheit mit dem Geschlecht verbunden sei. Auch im späteren Verlauf der Schwangerschaft sollen Ärzte nicht informieren dürfen, wenn aus ihrer Sicht die Gefahr bestehe, dass die Frau aufgrund des nicht akzeptierten Geschlechts eine Abtreibung vornehme.

Der Bundesrat schlägt diese Regelung im Rahmen der Revision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen vor. Die zuständige Kommission des Nationalrats folgt ihm, sie hat den Vorschlag in den letzten Tagen diskutiert. Im Parlament dürfte er ebenfalls auf offene Ohren stossen, denn von dort kommt er ursprünglich: Das Parlament hat eine Motion von Ständerätin Pascale Bruderer (SP, AG) angenommen, die das Missbrauchsrisiko einer Geschlechter­selektion möglichst reduzieren will.
Das Recht auf Auskunft

In der Vernehmlassung wurde allerdings von verschiedenen Seiten Kritik geäussert. Einwände formulierte etwa die zuständige Ethikkommission: Wenn der Staat das Recht auf Wissen und Auskunft über vorhandene genetische Informationen einschränke, dann müsse er das sehr gut begründen können. Es bestehe ein wesentlicher Unterschied, ob ein Paar oder der Gesetzgeber entscheide, welche Eigenschaften schützenswert seien und welche nicht. Weitere Kritiker bezeichnen die Regelung als realitätsfremd sowie als Einmischung in die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten.
Gynäkologin Dorothea Wunder begrüsst die Gesetzesregelung, auch wenn man in der Schweiz anders als in anderen Ländern von einem Geschlechterungleichgewicht weit entfernt sei. Mit einer solchen Regelung könne man das Signal aussenden, dass es nicht akzep­tabel sei, ein Kind abzutreiben, weil es nicht das erwünschte Geschlecht habe.

Im Labor oder beim Arzt?
Allerdings müsse geregelt werden, dass sie als Gynäkologin auch erst dann erfahre, ob es ein Junge oder ein Mädchen sei, wenn sie es den Eltern mitteilen dürfe, so Wunder. Werde also in den ersten 12 Wochen wegen eines Verdachts auf eine Krankheit ein Bluttest angeordnet, so müsse sichergestellt werden, dass das Labor den Ärzten nur die Resultate bezüglich der Erkrankung, nicht aber das Geschlecht mitteile. Nach diesen 12 Wochen könne das Labor die Information auf Wunsch der Frau der Ärztin oder dem Arzt weiterleiten.

Bild gmlh: Selina ist ein Sonnenschein. Wäre sie in die falsche Familie hineingeboren worden, würde sie vielleicht gar nicht leben.

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