Wenn Beine immer dicker werden

Lipödeme treffen im Schnitt jede zehnte Frau und werden meistens mit Adipositas verwechselt. Die fehlende oder falsche Erkennung der krankhaften Veränderung von Beinen und Armen macht es den Betroffenen besonders schwierig. Während die Kassen in Deutschland die Krankheit längst anerkennen und die Behandlung bezahlen, wollen die Schweizer Krankenkassen diese immer noch als reines Schönheitsproblem ansehen. Ein Misstand, der die Patientinnen nicht selten durch Schuldgefühle in einen Teufelskreis von schädlichen Diäten und Mutlosigkeit hineindrängt.

 

Lipödeme werden in der Schweiz von den meisten Ärzten fälschlicherweise immer noch als Schönheitsproblem, wie Zellulite oder noch schlimmer, als reine Adipositas, diagnostiziert. Gründe dafür können Unwissen, aber auch die Weigerung der Krankenkassen sein, die Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Dabei wäre eine detaillierte Abklärung für eine richtige Diagnose unerlässlich, um die Symptome so früh wie möglich zu bekämpfen und die betroffenen Patientinnen nicht in einem Teufelskreis von Frustration, Ausgrenzung und Depression allein zu lassen. Besonders, weil weder Diäten noch Sport helfen und es keine Heilung für die krankhafte Veränderung von Armen und Beinen gibt.

Nicht nur Reiterhosen

Während andere Frauen gleichmässig am ganzen Körper zu- oder abnehmen, haben Lipödem betroffene Frauen einen im Verhältnis schlanken Oberkörper und dicke, unförmige und dellenartige Oberschenkel, Waden und Oberarme.  Die ungleichmässige Gewichtsverteilung, wie die sogenannten Reiterhosen alleine, sind aber nicht die stichhaltigen Anzeichen, an denen Lipödeme erkannt werden können. Dazu braucht es eine detaillierte Abklärung durch eine Fachperson. In der Regel sind es Gefäss-Spezialistinnen/-Spezialisten in Kombination mit Plastischen Chirurginnen/Chirurgen. Diese können, wenn der Leidensdurck zu gross, eine spezielle Liposuktion anbieten.

In Deutschland längst anerkannt

Lipödeme werden in Deutschland von den Kassen längst als Krankheit anerkannt und die Behandlungen übernommen. Dass die Schweizer Krankenkassen die Krankheit lediglich als ästhetisches Problem betrachten und deshalb nicht anerkennen wollen, zieht für die Betroffenen weitere Kreise, als auf den ersten Blick sichtbar wird. Frauen sind mit ihrem Problem deshalb solange auf sich gestellt, bis diese von einer/m, mit der Krankheit vertrauten Fachärztin/Facharzt diagnostiziert und behandelt werden. Dies kann dazu führen, dass sich betroffene Frauen Scharlatanen anvertrauen, besonders wenn das nötige Kleingeld für eine Operation fehlt. Eine unsachgemässe Liposuktion kann im schlimmsten Fall zum Tod führen. Zudem fehlen hilfreiche Preisabsprachen mit der Plastischen Chirurgie, die oftmals unverhältnismäßig teuer ist, sowie die Nachsorge in den Spitälern.

Hormonelle Ursachen vermutet

Zu erkennen gibt sich die Krankheit, die nur Frauen trifft, erstmals in der Pubertät. Sie verschlimmert sich im weiteren Leben jeweils markant bei grösseren Hormonumstellungen, wie in der Schwangerschaft und letztlich in der Menopause. Aus diesem Grund werden hormonelle Ursachen vermutet. Obwohl Lipödeme keine Erscheinung der Neuzeit ist, ist die genaue Ursache ist bis heute ungeklärt. Betroffen sind erstmals die Oberschenkel, dann die Unterschenkel, wie auch die Arme, die sich mit erhöhtem wasserhaltigem Fett speichern. Diese Stellen sind deshalb stark Schmerzempfindlich, neigen bei der kleinsten Berührung schnell zu Blutergüssen (Hämatomen), kribbeln und werden im laufe der Jahre immer dicker, während Oberkörper und Gesicht schlank bleiben.

Richtige Ernährung und Pflege

Auch Sport und Diät helfen hier nicht weiter. Zweiteres ist sogar schädlich, weil die Betroffenen damit nur am Oberkörper abnehmen, während Beine und Oberarme gleich bleiben oder im Verhältnis weniger schrumpfen. Jede Crash-Diät, insbesondere mit Jo-Jo Effekt, würde diesen Zustand verschlimmern. Deshalb ist eine auf die speziellen Bedürfnisse abgestimmte Ernährung und das Halten des Gewichts ein zentraler Bestandteil. Ebenso wichtig ist die richtige Pflege. Lymphdrainage, Beine hoch lagern und das ständige Tragen von Kompressionsstrümpfen sind unerlässlich um tagsüber zu entlasten und Schmerzen zu vermindern.

Keine reine Adipositas

Betroffene können insgesamt schlank erscheinen. Natürlich kann sich aus der Krankheit durch vermehrte Unbeweglichkeit, Müdigkeit, Frustration und letztlich durch die gesellschaftliche Ausgrenzung Adipositas (Fettleibigkeit) entwickeln. Oft, weil von der Umgebung und nicht zuletzt von Fachpersonen Schuldgefühle eingeredet werden. Generell gehören Lipödem-Betroffene zu den “Gesunden Dicken” und unterscheiden sich dadurch von den übrigen Adipositas-Patientinnen. Während Adipositas in den speziell dafür eingerichteten Zentren bis ins letzte Detail untersucht und mit verschiedenen Massnahmen, die nicht selten eine Magen-Darmverkleinerung beinhalten, behandelt wird, wissen die dortigen Fachleute leider wenig bis gar nichts über die krankhafte Veranlagung. Die Behandlung von Adipositas wird von den Kassen ab einem bestimmten BMI vollumfänglich übernommen. Dennoch sind diese Massnahmen für Lipödem-Patientinnen oftmals der falsche Weg. Im umgekehrten Fall können die Betroffenen in ihrer Verzweiflung aber genau so zu Magersucht neigen, was die entsprechenden Fachpersonen ebenfalls zur Aufmerksamkeit drängen sollte. Anorexie- und Bulimie-Kranke sind so nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Ausserdem verschlimmern die Esstörungen den Zustand zunehmend.

Selbsthilfegruppe

Heidi Schmid bietet mit der gegründeten Selbsthilfegruppe Information und Anlaufstelle für die Betroffenen. Gleichzeitig macht sie mit ihrem Team in den Medien darauf aufmerksam und kämpft nicht zuletzt durch die nationale und internationale Vernetzung für die rechtliche Anerkennung und die Kostenübernahme durch die Schweizer Krankenkassen.

Detaillierte Informationen und Mitgliedschaft der Selbsthilfegruppe:

Lipoedem-schweiz.ch

Video-Beitrag des SRF

Film-Dokumentation OK54

Königin von Punt, Hatschepsut-Tempel, Ägypten

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